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Unsere Familiengeschichte spielte über mehrere Jahrhunderte in der Thüringerischen Stadt Wechmar am Flüßchen Apfelstädt, unweit von Gotha. Nach dem 30jährigen Krieg (1618-1648) war die Bevölkerung von Wechmar von über 800 auf lediglich 90 gesunken. Das war eine günstige Gelegenheit für neue Siedler, sich hier niederzulassen, wenn auch der Ort fast vollständig zerstört war.
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Die Geschichte unserer Familie lässt sich zurückverfolgen bis zum Jahr 1658, als am 9.Februar ein Hannß Wolffram das sogenannte Nachbarrecht in Wechmar erhielt. Diese Eintragung findet sich im Handelsbuch der Stadt Wechmar, in dem seit 1554 die Angelegenheiten der Gemeinde verzeichnet wurden.
Nachbar zu sein bedeutete eigentlich Bürgerstatus zu haben: man nahm nicht nur teil an Gemeindeversammlungen, sondern Nachbarn hatten zudem das Recht, aus dem Gemeindewald ihr Bau- und Brennholz zu beziehen oder auch in der gemeindeeigenen Brauerei ihren Eimer Bier zu brauen.
Das Nachbarrecht konnte nur erwerben, wer volljährig war und mindestens sechs Jahre im Ort gelebt hat. Weiterhin konnte das Nachbarrecht nur vom Vater auf einen Sohn übertragen werden, die anderen Söhne mußten das Nachbarrecht erkaufen. Für unsere Familie bedeutet dies, dass besagter Hannß Wolffram bereits spätestens 1652 - also vier Jahre nach Ende des 30jährigen Krieges - in Wechmar seßhaft geworden ist. Weitere Eintragungen als Nachbarn finden sich 1670 (Hannß Wolffram junior) und 1686 (Mattes Wolffram).
In 1713 findet sich ein Dokument, in dem das zweite "f" eines Wolfframs durchgestrichen erscheint, allerdings gibt es auch danach noch Eintragungen mit dem Doppel-f.
Klangvolle Nachbarn
Die ersten Wolfram-Generationen in Wechmar waren Nachbarn (diesmal im bekannten Sinne von Tür-an-Tür-Wohnen) mit den Vorfahren von Johann Sebastian Bach. Der Stammvater der Bach-Familie Veit Bach war gegen Ende des 16. Jahrhunderts ebenfalls in Wechmar mit seiner Familie ansässig geworden. Er arbeitete als Bäcker, sein Sohn war jedoch bereits als Musiker tätig. Der Großvater von Johann Sebastian, Christoph Bach, wurde in Wechmar geboren, ebenso wie dessen Geschwister. Von Christoph Bach gibt es eine Eintragung als Nachbar von 1643. Von den Bach-Brüdern blieb nur einer in Wechmar, die anderen zog es in die Umgebung. In der Linie von Johann Sebastian Bach ging es über Erfurt, wo sein Vater geboren wurde, nach Eisenach, der Geburtsstadt von ihm selbst 1685.
In Wechmar blieb der Name Bach - mit Unterbrechungen - bis ins 19. Jahrhundert vorhanden. Heute gibt es im Ort ein Bach-Museum, in dem man die Backstube der ersten Bachs besuchen kann und einiges über Instrumentenbau erfährt, gegenüber befindet sich ein Lokal, das Thüringer Bratwurst anbietet und im Obergeschoß ein kleines Heimatmuseum beherbergt.
Familienchronik Johann Friedrich Phillip und Georg Christoph Wolfram
Über Generationen waren viele Wolframs als Schuster oder Schuhmacher tätig. In ihren Aufzeichnungen sind jedoch leider kaum Beschreibungen ihres Arbeitsalltags oder der Lebensumstände vermerkt. Allerdings wurden akribisch genau die Lebens-, Trau- und Sterbedaten vermerkt sowie die Taufpaten genannt, nach denen sie benannt wurden. Zuweilen werden auch Angaben über die jeweilige Todesursache gemacht wie "Hitzefieber", "Nervenschlag" oder "Brustauszehrung".
Das erste auffindbare Zitat eines Wolframs stammt von Johann Friedrich Phillip Wolfram, der 1762 geboren wurde. Er vermerkt: "Am 28.4.1789 bin ich mit meiner Frau Maria Magdalehne Hopf kopuliert worden." Typisch für die damalige Zeit kamen nicht alle Kinder dieser Ehe ins Erwachsenenalter. Johann Friedrich Phillip war Schumachermeister. Er selbst war bei einem Onkel mütterlicherseits aufgewachsen, da seine Eltern früh verstorben waren.
In der folgenden Generation von Georg Christoph Wolfram (1790-1860, ebenfalls Schuhmacher) starben sogar drei der ersten vier Kinder in ihren ersten Jahren. Zwei weitere Kinder folgten, die beide das Kindesalter überlebten. Von den insgesamt sechs Kindern sollte jedoch nur einer älter als 35 Jahre werden - Simon Nathan Wolfram, der als Vorletzter 1832 geboren wurde.
Emil und Simon Nathan Wolfram
Simon Nathan Wolfram war von Hause aus Landwirt und zudem Gemeindekassierer in Wechmar. Dabei hatte er u.a. die Aufgabe, das Handelsbuch der Gemeinde zu führen. Mit sehr akkurater Handschrift vermerkte er dort die Auswanderung seines älteren Bruders Emil (1826 geboren), der 1858 ebenso wie insgesamt 87 andere Wechmarer nach Amerika zog. Was muss das für ein Abschied gewesen sein! Umso trauriger der Eintrag seines Vaters in der Familienchronik wenig später: "Am 10.8.1858 starb mein Sohn Emil weit entfernt von uns in Thornton im Staat Illinois in Nordamerika in Folge Sonnenstichs 31 Jahre, 7 Monate, 17 Tage alt. Zuvor hatte er uns, auf schöne Hoffnungen gebaut, verlassen." Von Emil Wolfram existieren Briefe aus der Zeit um 1850, als er sich im Krieg oder auf Wanderschaft befand, in denen er seinen Entschluss zur späteren Auswanderung herausbildet.
Auch der jüngste noch übrige Bruder von Simon Nathan starb früh, nur gut fünf Monate nach seiner eigenen Trauung im Jahr 1863.
Der nächste Schicksalsschlag traf ihn, als 1867 seine erste Frau Wilhemine Friederike starb, nachdem sie vier Kinder bekommen hatten, wovon drei überlebten.
1868 jedoch sollte ein gutes Jahr für Simon Nathan Wolfram werden. Im August ging er die Ehe mit Friederike Offhaus ein, aus der weitere fünf Kinder hervorgingen. Am 15. November 1868 wurde er im Gasthof "Zum Goldenen Löwen" sogar zum Schulhtheiss von Wechmar gewählt, was soviel wie Bürgermeister bedeutete. Im Handelsbuch der Stadt gibt es einen Eintrag von ihm, worin er seine Wahl zum Schultheiss dokumentierte. In Aufzeichnungen seines Enkels Karl Wolfram wird über die Familie von Simon Nathan Wolfram gesagt: "Nur durch großen Fleiß und Sparsamkeit gelangten sie allmählich zu einem kleinen Wohlstand." Simon Nathan starb schließlich an 'plötzlichem Herzschlag' am 2.1.1882 im Alter von 49 Jahren, als das letzte Kind noch nicht einmal ein Jahr alt war.
Julius Wolfram und seine Nachkommen
Unser Familienzweig geht zurück auf den Sohn Julius, den jüngsten Sohn aus der ersten Ehe von Simon Nathan Wolfram. Nach einer Gärtnerlehre in Gotha, Wanderschaft und Militärdienst verschlug es ihn nach Westen in die Nähe von Hagen. Hier war er als Bahnangestellter tätig und stieg vom Hilfsnachtwächter und Weichensteller nach und nach zum Bahnhofsaufseher in Vollme und Schalksmühle im Sauerland auf. Aus seiner Ehe mit Anna Werthmann, die selbst aus dem Westfälischen kam, gingen sieben Kinder hervor, sechs Söhne und eine Tochter.
Zwei der Söhne starben als Kinder. Die älteren Söhne Ernst und Karl mußten im 1. Weltkrieg auf U-Booten ihren Dienst tun. Karl Wolfram erlebte dabei in der Schlacht am Skagerrak, wie ein abgeschossenes Boot auf sein Boot herunter zu sinken drohte.
Ernst mußte auch im 2.Weltkrieg kämpfen, aus dem er nicht zurückkehrte. Seine Spur verlor sich im ehemaligen Jugoslawien. Er hinterließ eine Frau und fünf Kinder, die es in alle Welt hinauszog.
Karl wurde Maschinenschlosser-Meister und zeichnete sich besonders durch seinen Erfindergeist aus. Er entwickelte u.a. eine Maschine zur Herstellung von Federn für Wäscheklammern oder einen Nußknacker für besonders harte tropische Nüsse. Auch ein Apparat, der Blutröhrchen rotieren ließ und so die Blutgerinnung hinauszögerte, zählte zu seinen Ideen. Mehrere Jahre arbeitete er an einer Maschine für die Firma Busch & Jer, die Silberkontakte für Schalter aufschweißte. Karl hatte eine Tochter.
Julius dritter Sohn Alfred war wie die Vorfahren Schuhmacher. Anhand von Bibelstellen entwickelte er eine "Hohlwelttheorie". Nach dieser leben wir nicht auf der Außenseite der Weltkugel, sondern innen. Was er allerdings über die Krümmung des Horizonts dachte, ist nicht überliefert. Aus seiner Ehe ging ein Sohn hervor.
Die einzige Tochter von Julius und Anna Wolfram, Hedwig, wurde Krankenschwester und heiratete nach Eisleben. Sie bekam einen Sohn und zeichnete sich insbesondere durch ihre wunderbare Gabe aus, Geschichten zu erzählen oder Gedichte zu rezitieren. Als Julius Wolfram krank wurde, nahm sie ihn zu sich nach Eisleben und pflegte ihn während der Kriegszeit zuhause. Über ihren Vater sagte sie, er sei besonders "knickerig" (=geizig) gewesen.
Otto, der vierte Sohn, wurde Werkzeugmacher und blieb ebenso wie seine Brüder im Sauerland. Er wurde Vater von einer Tochter und einem Sohn. Während der Kriegszeit wurde er dienstverpflichtet, in einer Fabrik im Sauerland zu arbeiten (Märkisches Werk in Halver). So konnte er einen Einsatz an der Front umgehen. 1947 verunglückte er beim Sturz aus einem Apfelbaum, so dass ein Bein amputiert werden musste.
Von den sieben Kindern des Julius Wolfram gab es 11 Enkel und 24 Urenkel und mittlerweile sogar noch mehr Ururenkel. Die Familien sind in alle Branchen und alle Winkel der Welt verteilt, obwohl ein wesentlicher Teil der Familie im Sauerland geblieben ist. Nach Thüringen gibt es heute keine verwandtschaftlichen Kontakte mehr.
Was Julius Wolfram als Verpflanzen schon in seinem ursprünglichen Beruf als Gärtner vertraut war, hat er also auch biographisch mit seinem Umzug von Wechmar in die Nähe von Hagen und später nach Vollme vollzogen.
Verfasser: Christian Wolfram, Urenkel.
Quellen:
Knut Kreuch "Im Tal des wilden Wassers", 2001, S. 65ff. und 281ff.
Familienchronik von Alfred Wolfram , Aufzeichnungen von Karl Wolfram
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